IMI-Standpunkt 2025/020
Ganz schlecht für die Demokratie!
Das Verfassungsgericht zum Rüstungs-Freibrief
von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 14. März 2025
Die Bundestagswahlen vom Februar 2025 erreichten mit einer Wahlbeteiligung von 82,5% Prozent einen Rekordwert seit 1987 . Das wurde allgemein gefeiert und auch darauf zurückgeführt, dass viele zu den Wahlen gegangen seien, um dem Machtzuwachs anti-demokratischer, rechter Kräften wie der AfD entgegenzuwirken. Der massive Zuwachs u.a. der LINKEN wurde ebenfalls darauf zurückgeführt.
Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen wäre eine Grundgesetzänderung zur Reform, Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse ohne die LINKE und/oder AfD kaum möglich. Zumindest eine der beiden Fraktionen müsste zustimmen und könnte damit Einfluss auf die Ausgestaltung nehmen.
Deshalb haben sich die Fraktionen der SPD und CDU/CSU vorgenommen, noch mit den alten Mehrheiten eine – wirklich historische – Änderung des Grundgesetzes vorzunehmen: „Investitionen in die Infrastruktur“ sollen zukünftig (auf 500 Mrd. begrenzt) und Rüstungsausgaben (unbegrenzt) von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Sie konnten nun auch die GRÜNEN dafür gewinnen gegen die Zusage, dass 100 Mrd. an „Investitionen“ in den Klimaschutz investiert würden. Unmittelbar – wirklich ohne Zeitverzögerung – wurde klar, dass dieser Deal auch neue Waffenlieferungen an die Ukraine ermöglichen sollte.
Bei den Bundestagswahlen hat über ein Drittel der Wahlberechtigten für Parteien gestimmt, die – aus sehr unterschiedlichen politischen Lagern – eine weitere Aufrüstung und/oder den Konfrontationskurs gegenüber Russland ablehnen. Nun soll der alte Bundestag den Weg für unbegrenzte Rüstungsausgaben freimachen, bevor er abdankt. Von der Schuldenlast und den ökologischen Folgen des Aufrüstungsprogramms betroffen sein werden Menschen, die bei der letzten Bundestagswahl – 2021 – zu großen Teilen noch nicht einmal wahlberechtigt waren.
Das ist alles demokratie-theoretisch problematisch, diskursiv fatal. Grüne und SPD wurden bereits damals gewählt auf der Grundlage eines Programms, das z.B. Waffenlieferungen in Krisen- und Konfliktgebiete ausschließen sollte. Im Wahlkampf – gerade um die jüngeren Wähler*innen – spielte der Klimawandel eine große Rolle, der nun der hemmungslosen Aufrüstung als Kernprogramm der GRÜNEN gewichen ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun den Klagen der LINKEN und der AfD gegen die Einberufung des alten Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes eine sehr deutliche Absage erteilt. Die Urteile und Pressemitteilungen des Gerichts sind hierzu ziemlich knapp und lassen sich flapsig auf „offensichtlich unbegründet“ zusammenfassen.
Die bisherigen Urteile beziehen sich – soweit bislang ersichtlich – auf die Frage, ob der alte Bundestag in dieser Sache überhaupt zusammentreten darf. Es gibt noch weitere Klagen dahingehend, ob den Fraktionen und Abgeordneten überhaupt rechtzeitig die Gesetzentwürfe – Grundgesetzänderungen – zugegangen sind und eine Möglichkeit zur (individuellen) Meinungsbildung bestand. Wann welchen Abgeordneten in der Situation der Auflösung ihrer jeweiligen Büros nun welche Vorlage für eine Grundgesetzänderung vorlag, wird sich allenfalls historisch nachvollziehen lassen. Ein funktionierender Bundestag, der über solch weitreichende Änderungen des Grundgesetzes entscheiden könnte, existiert aber eigentlich nicht und ist dafür auch nicht legitimiert.
Sollte das Bundesverfassungsgericht nun auch alle weiteren Klagen – gerade auch wegen zu kurzer Beratungsfristen – ablehnen, würde es der Demokratie einen schweren Schaden zufügen und u.a. jene verprellen, die 2025 erstmals gewählt haben – um gegen die AfD, tw. gegen den Aufrüstungskurs und für die Bekämpfung des Klimawandels zu stimmen.